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Ethik in der Tierphysiotherapie/Osteopathie

Aktualisiert: 16. Aug. 2020

Tierphysiotherapie, Osteopathie und Chiropraktik sind mittlerweile etablierte Berufsbilder in der unterstützenden Behandlung unserer Haustiere. Dabei haben wir uns als Therapeuten dem Wohl der Tiere verschrieben. Ich strebe in meiner Arbeit in der Regel drei Dinge an „Gesundheit, Wohlbefinden, Lebensfreude“. Aus diesem Grund und dafür übe ich diesen Beruf aus. Doch stehen wir tagtäglich in einem Dreieck aus Tier, Tierhalter und uns als Therapeuten.


Aber wem bin ich verpflichtet? Was bedeutet Ethik eigentlich für mich und meinen Alltag in der Praxis?



Zu Beginn meiner Behandlung stelle ich den Besitzern häufig die Frage was sie sich von mir und der Therapie erhoffen. Auf diesem Weg kann ich als Therapeut gedanklich schon einmal abschätzen was von mir erwartet wird. Zusätzlich kann ich so besser einschätzen wie ich die Informationen bezüglich des geschätzten Endresultates der Therapie an den Halter formuliere und weiter gebe.



Dazu habe ich zwei Beispiele aus der Praxis, die diese Kontroverser veranschaulichen:


Beispiel 1: Eine ältere Dame hat einen Hund der bereits 12 Jahre alt ist und neben seinem allgemein nicht allzu gutem Zustand nun auch noch Schwierigkeiten mit dem Bewegungsapparat zeigt. Von meiner Behandlung erhofft sie sich sehr viel. Der Wunsch, dem Tier wieder so gut auf die Beine zu helfen, dass es wieder freudig mit spazieren geht, wird ausgesprochen. Nach allen Informationen und Untersuchungen meinerseits scheint es, als könne ich dem Tier nicht mehr helfen. Die Grunderkrankungen scheinen zu schwerwiegend. Aber was sage ich der Dame nun und wie sage ich ihr, dass es eventuell das Beste wäre das Tier zu erlösen? Ist das überhaupt meine Aufgabe? Nehme ich ihr mit einer Absage der Therapie vielleicht den wichtigsten Begleiter? Wie kann ich dem Tier Gutes tun ohne vielleicht Leiden zu verlängern? Was geschieht, wenn ich nicht behandle?




Beispiel 2: Junges Pferd mit schwerem Sehnenschaden nach Unfall. Das Tier wurde operiert und braucht nun länger als vermutet in der Genesungsphase. Die Halter sind bereit es noch eine Weile zu versuchen. Die Frage kommt auf, ob das Pferd je wieder reitbar sein wird? Als Physiotherapeut stelle ich nicht nur die Beweglichkeit wieder her sondern behandle vor allem auch Schmerzen. Im Verlauf der Therapie stellt sich heraus, dass das Tier nicht wieder unter dem Reiter laufen wird, aber ein gutes und glückliches Leben mit unabdingbarer, regelmäßiger Physiotherapie leben kann. Den Besitzern ist dies nicht genug und auf die Dauer gesehen zu kostenintensiv. Es kommt die Frage auf das Pferd zu verkaufen oder zu erlösen. An dieser Stelle frage ich mich, wie ich dem Pferd trotzdem ein Leben mit Qualität geben kann? Kann ich die Behandlungen günstiger anbieten? Aber wie ökonomisch ist das für meine Praxis? Was passiert, wenn ich die Behandlung abbrechen muss?


In diesen verkürzt dargestellten, aber auch vielen anderen Situationen, sehen sich Therapeuten einem Konflikt gegenüber, der nicht immer einfach zu lösen ist. Zum einen tragen wir die professionelle Verantwortung zum Wohle unseres vierbeinigen Patienten, zum anderen unterliegen wir wirtschaftlichen Herausforderungen. Externe Einflussfaktoren, wie Beziehung zwischen Tier und Tierhalter, finanzielle Mittel seitens der Tierhalter oder auch unserer eigenen wirtschaftlichen Situation als Anbieter einer Dienstleistung.

Häufig stelle ich fest, dass die Erwartungen an meine Expertise sehr hoch sind. Doch sollten wir uns trotz der wachsenden Möglichkeiten der Therapien realistische Ziele setzten und sicherlich auch die individuelle Einschätzung der wirklichen Lebensqualität einschätzen.


Ich versuche mir diesbezüglich immer einen ganzheitlichen Überblick zu verschaffen.


* Was hat der Patient?

* Wie alt ist der Patient und welche Maßnahmen sind dann ggf. sinnvoll?

* Wie ging es dem Patienten bevor er eine Erkrankung des Bewegungsapparats bekam?

* Wie lebensfroh wirkt der Patient derzeit und welche Hilfsmittel (z.B. Rolli) machen dann Sinn?

* Welchen Stellenwert hat der Patient für den Besitzer?

* Wie emotional ist die Beziehung?

* Welche finanziellen Mittel könnten dem Besitzer zur Verfügung stehen und wie häufig kann dann

eine Therapie stattfinden?

* Wie viel ist der Halter bereit selbst zu in die Umsetzung der Therapie zu investieren oder werden

eventuelle Hausaufgaben nicht umgesetzt?




Also komme ich auf die Frage zurück „Wem bin ich eigentlich verpflichtet und was bedeutet Ethik für mich?“


In der Regel sind wir als Therapeuten mit unserer Expertise, Erfahrung und Weitsichtigkeit das Sprachrohr und stellvertretender Advokat unserer tierischen Patienten, in Bezug auf unser Fachgebiet. So versuchen wir sicher immer nach bestem Wissen und Gewissen die beste, effektivste und sinnvollste Therapie für unseren Vierbeinigen Patienten zu finden und durchzuführen. Somit sehe ich mich dem tierischen Patienten verpflichtet mit der Umsichtigkeit aber alle beteiligten Parteien einzubeziehen und zu berücksichtigen.

Der ethische Gedanke kommt für mich vor allem dann auf, wenn es um Leid geht. Ethik bedeutet für mich Leiden nicht unnötig in die Länge zu ziehen und Schmerzen, sowohl körperlich als auch seelisch, so gut ich kann durch meine Therapie zu lindern. Das bedeutet aber auch, Tierbesitzern einfühlsam zu vermitteln, dass Leben nicht unendlich ist, sollte es einmal keine Therapieoptionen aus meiner Sicht und in Zusammenarbeit mit Tierärzten geben. Oder aber auch Therapien abzubrechen oder an andere Fachbereiche weiter zu leiten.



So versuche ich in jedem Fall mein Bestes zu geben.



Alles Gute für Euch und Eure Vierbeiner!

Marie Schlesinger

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